Rechtliche Rahmenbedingungen der Radverkehrsführung
Wie kann man die lokale Straßenverkehrsbehörde überzeugen, die Radverkehrsführung zu verbessern? "Ich wünsche mir ..." hilft leider nicht. Aber vielleicht die Gesetzeslage. Hier die wichtigsten Hilfsmittel.
Um die Straßenverkehrsbehörde zu überzeugen, die Radverkehrsführung zu verbessern, kann möglicherweise die Gesetzeslage helfen. Folgende Gedanken stellen keine Rechtsberatung da, sondern sind eine Sammlung von Hinweisen, die hilfreich sein können in der Kommunikation mit der Straßenverkehrsbehörde. Sie können zur Argumentation verwendet werden, GEGEN den Zwang, bestehende, SCHLECHTE Radwege benutzen zu müssen, als auch FÜR das Errichten einer BESSEREN Radverkehrsführung, indem sich diese konsequent an der Sicherheit der Radfahrenden orientiert. Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden ist ein hohes Rechtsgut, das der Gesetzgeber in vielen seiner Regelungen hoch priorisiert. Deshalb ist gerade die Sicherheit der Radfahrenden und der Hinweis auf die Gesetzeslage eine gute Argumentationsbasis gegenüber den Straßenverkehrsbehörden, die diese nicht so einfach ignorieren können.
Gesetze und Vorschriften, die helfen können
Wichtige Grundlage ist natürlich zunächst die Straßenverkehrsordnung. In diesem Artikel geht es nicht um das Verhalten der Radfahrenden m Straßenverkehr sondern um die Argumentation gegenüber den Behörden, deshalb ist zunächst $2 wichtig: Fahrräder sind Fahrzeuge und gehören deshalb grundsätzlich auf die Fahrbahn. Die Straßenverkehrsbehörde kann davon abweichend aber die Benutzung von Radwegen oder gemeinsamen Fuß- und Radwegen anordnen und damit gleichzeitig ein Benutzungsverbot der Fahrbahn aussprechen. Das erfolgt durch Schilder mit Zeichen 237, 240 oder 241. Markierungen am Boden reichen nicht aus! Und der Radweg muss straßenbegleitend sein (weniger als 5 m von der Fahrbahn abgesetzt), benutzbar (nicht zugeparkt, zugestellt, …) und zumutbar (ohne Wurzelaufbrüche, Glasscherben, Streugut…). Für Radfahrende bedeutet das, sie müssen diesen Radweg benutzen und dürfen nicht auf der Fahrbahn fahren. Dieses Verbot der Fahrbahnbenutzung darf die Behörde aber nicht willkürlich aussprechen, sondern muss sich an Regeln halten. Naja, sollte sie eigentlich, passiert aber leider oft genug nicht. Dazu gibt es die Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV StVO). Dort ist geregelt, dass die Radverkehrsanlagen bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen z. B. hinsichtlich ihrer Breite (Randnummer 18-21), ihrer Beschaffenheit und ihrer Führung (Radnummer 16, 17, 24-27), aber auch hinsichtlich ihrer Überprüfung (Randnummer 29). Insbesondere linke Radwege, die eine um bis zu Faktor 12 höhere Gefährdung der Radfahrenden gegenüber dem Fahren auf der Fahrbahn verursachen, erfordern weitere Voraussetzungen, z. B. eine Querungshilfe am Anfang und am Ende (Randnummer 36), die im Landkreis Rosenheim oft nicht vorhanden sind, so dass die Anordnung der Benutzungspflicht nicht den Vorgaben der VvW entspricht. Wichtige Argumente gegen eine Benutzungspflicht und die zusätzliche Gefährdung durch schlechte Radwege liefert $45 der StVO in Absatz 9. Dort ist Satz 3 wichtig, weil er besagt, dass Beschränkungen und Verbote nur unter bestimmten Bedingungen angeordnet werden dürfen (siehe auch die Klage von ADFC Mitglied Klaus Wörle über mehrere Instanzen bis zum wegweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes). Satz 4 hebt dies jedoch auf für u. a. Sonderwege wie Radverkehrsanlagen nach Zeichen 237, 240, 241 außerhalb (!) geschlossener Ortschaften. Das heißt, außerhalb geschlossener Ortschaften kann man wenig machen, innerhalb geschlossener Ortschaften darf die Straßenbehörde Benutzungspflichten nicht ohne weiteres anordnen. Voraussetzung für eine Anordnung einer Benutzungsplicht ist eine gewisse Mindestmenge an Verkehr, weil zunächst §2 gilt, dass Fahrräder auf der Fahrbahn zu führen sind. Diese Mindestmenge ist festgelegt in verschiedenen Richtlinien:
- Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt)
- Die Richlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL)
- Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)
In Abhängigkeit von der Menge an Kraftfahrzeugen, dem Schwerlastanteil, inner- oder außerörtlicher Radverkehrsführung, der Fahrbahnbreite und der Geschwindigkeit ist die Führung des Radverkehrs vorgesehen
- innerorts im Mischverkehr mit Kraftfahrzeugen auf der Fahrbahn (nach RASt bei einer Fahrbahnbreite bis 6m, bis 500 Kfz, bis 6% Schwerlastverkehr, nach RASt über 7 Meter bis 1000 Kfz, bis 6% Schwerlastanteil, nach ERA Belastungsbereich I), sonst
- auf Schutzstreifen, im Mischverkehr, freiwillig auf einem “Gehweg” und Zusatz “Radfahrer frei”, auf Radwegen ohne Benutzungspflicht (Belastungsbereich II)
- auf Radfahrstreifen, Radwegen oder gemeinsamen Geh- und Radwegen mit Zeichen 237, 240, 241, (Belastungsbereich III & IV)
(siehe auch die Grafik am Ende des Artikels zum Download, die hier gezeigten Grenzbereiche sind Übergänge, keine harten Linien).
Diese Vorgaben können natürlich auch genutzt werden, wenn Radfahrende auf Fahrbahnen im Mischverkehr geführt werden und die Straßenverkehrsbehörde davon überzeugt werden soll, eine Radverkehrsführung separat vom Kraftfahrzeugverkehr auf Radwegen oder gemeinsamen Fuß- und Radwegen umzusetzen.
Ein Schuss Statistik…
Die Verkehrsbelastung einer Straße kann über die Landesbaudirektion Bayern ermittelt werden, sodass darüber die vorgesehene Radverkehrsführung ermittelt werden kann. Die richtige Zählstelle kann man über die Straßenbezeichnung oder über eine interaktive Karte (im Themenbaum unter Verkehrsdaten alle Zählstellen einschalten und dann zoomen) ermitteln.
Zur Bewertung einer besonderen Gefahrenlage, die nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht Voraussetzung für die Anordnung einer Benutzungspflicht ist, kann der Unfallatlas des Statistischen Bundesamtes herangezogen werden, in dem man nach Unfällen mit Radfahrenden filtern kann, um Unfallschwerpunkte zu identifizieren.
Vorgehen
Wenn man auf die Straßenverkehrsbehörde einwirken möchte, wäre es ideal, sie hat ein offenes Ohr für die Belange der Radfahrenden. Bisherige Bitten des ADFC Rosenheim an das Landratsamt Rosenheim und das Landratsamt Ebersberg um Einbindung in die Planung von Radverkehrsanlagen haben bisher nicht gefruchtet. Die nächste Möglichkeit besteht dann darin, gegen die konkrete Umsetzung der Radverkehrsführung vorzugehen und die Straßenverkehrsbehörde zu einer Änderung nach der geltenden Gesetzeslage aufzufordern. Jedes Verkehrszeichen ist ein Verwaltungsakt. Solche Verwaltungsakte werden für eine Person wirksam, sobald sie davon Kenntnis erlangt. Die Frist für einen Widerspruch gegen einen solchen Verwaltungsakt beträgt ein Jahr. Für neu aufgestellte Schilder oder neu fertiggestellte Straßen/Radverkehrsanlagen sollte man sich also nicht allzuviel Zeit lassen. Für bestehende Schilder kann man Widerspruch einlegen, innerhalb eines Jahres, nachdem man das erste Mal auf dieser Strecke gefahren ist. Auf diesen Widerspruch muss die Straßenverkehrsbehörde innerhalb einer angemessenen Zeit, z. B. 3 Monate, reagieren. Falls sie den Widerspruch ablehnt, kann man dagegen vor dem Verwaltungsgericht klagen. Falls die Behörde überhaupt nicht reagiert, kann man den Weg über eine Untätigkeitsklage wählen. Hat man sich schon länger mit der bestehenden Beschilderung arrangiert und möchte nach genügend langer Gefährdung dagegen vorgehen, kann man einen Antrag auf Aufhebung stellen, braucht dann aber entsprechende Argumente (s. o.), die die rechtliche Unzulänglichkeit der bestehenden Umsetzung adressieren.
Aus dem Kreisverband Rosenheim hat ein Mitglied gegen die Radverkehrsführung an der B304 Widerspruch eingelegt, der von der Straßenverkehrsbehörde abgelehnt wurde und anschließend Klage beim Verwaltungsgericht München eingereicht. Weitere Erfahrungen können wir zu gegebener Zeit gern teilen. Eigentlich schade, dass wir uns mit solchen Murkslösungen herumschlagen müssen. Es wäre viel zielführender, wir hätten gute Radwege. Gute Radwege brauchen keine Benutzungsfplicht. Die Radfahrenden würden sie freiwillig nutzen. Aber da passiert leider zu wenig, weil der Platz begrenzt ist und die Politik sich nicht traut, den bestehenden Platz neu zu verteilen. DAS wäre das eigentlich richtige Vorgehen. Deshalb: Die Kommunalpolitiker auf die Radverkehrsinfrastruktur ansprechen und ihnen deutlich machen, dass der bestehende Platz neu verteilt und gute Radverkehrsinfrastruktur JETZT gebaut werden muss! Auch wenn das bedeutet, die heutige Kraftfahrzeugorientierung in der Verkehrsplanung ändern zu müssen. Gerade vor den Kommunalwahlen ist das Thema Radverkehr wichtig bei den künftigen Entscheidungsträgern zu platzieren.
Zurück zu den rechtlichen Rahmenbedingungen: Für einen Austausch zu diesem Thema findet ein Treffen des ADFC Kreisverbands Rosenheim am 30. Juli 2025 um 19 Uhr statt (Treffpunkt: Fernengel Fahrradanhänger, Rosenheim). Interessierte sind herzlich willkommen, wir bitten jedoch um Anmeldung an info [at] adfc-rosenheim.de oder über das termine-und-touren.adfc.de-Portal.
Weiteres empfehlenswertes Material
- Das Buch “Recht für Radfahrer” von Dietmar Kettler. Leider ist der Autor schon verstorben und die beschriebene Rechtslage nicht mehr ganz aktuell, aber das Buch ist immer noch eine Referenz.
- Das Buch “Rad+Recht” von Harald Siedler. Das Buch ist recht aktuell und beinhaltet viele aktuelle Gerichtsurteile.
- Ein Vortrag zu den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen: https://www.adfc.de/fileadmin/Gliederungen/Pedale/aachen/user_upload/pdf/2023/D3-Peter-Gwiasda.pdf
- Ein interessanter Beitrag zum Thema gefühlte und tatsächliche Sicherheit: https://www.vcd.org/artikel/sicherheit-ist-keine-zahl
- Erfahrungen einer anderen ADFC-Gliederung: http://www.adfc-rd.de/index.php?option=com_content&view=section&layout=blog&id=22&Itemid=135
- Webseite von Peter de Leuw https://pdeleuw.de/fahrrad/radwege.html, dort ein besonderes Kleinod
- Webseite von Bernd Sluka http://bernd.sluka.de/Radfahren/Novelle/